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Erhalten Sie einen Einblick, wie Annika und Samara gemeinsam die Assistenz im Alltag gestalten.

 

„Lass mich mal g’schwind überlegen.“, sagt Samara, als Annika sie nach ihrem Wunsch für die nächsten zwei Stunden fragt. Das Besondere an diesem Treffen: In dieser Zeit ist Annika nicht nur Samaras Freundin – sie ist auch ihre Assistenz. Für Samara bedeutet das: Sie kann gemeinsam mit Annika Dinge erledigen, bei denen sie Unterstützung braucht. Oder sie übt Tätigkeiten, bei denen sie sich allein noch unsicher fühlt. Erst vor kurzem sind Annika und Samara gemeinsam einen neuen Weg abgegangen. „Sie möchte neue Wege immer dreimal zusammen laufen und dann geht sie sie alleine. “, erzählt Annika.  

 

Beim Thema Behinderung hatte sie nie Berührungsängste. Ihr Bruder kam mit einer Einschränkung zur Welt. Deswegen war es für Annika kein Problem, seit ihrem Einzug in eine ATS-WG eine von Samaras Assistenzen zu sein. Trotz ihrer Arbeit mit Samara ist es Thomas wichtig, dass kein Druck entsteht. An seine WorteDein Grund hier zu wohnen ist nicht Deine Hilfegrundlage, sondern Dein Mietvertrag. Er ist ohne Bedingungen. Helfen ist keine Grundlage.“ erinnert sich Annika gerne. Trotzdem ist finanzielle Wertschätzung wichtig. Für ihre Stunden mit Samara wird Annika mit der Übungsleiterpauschale bezahlt.  

Dass Assistenz nicht gleich Assistenz ist, hat Annika schnell gelernt. Seit sie 16 ist, hat sie ehrenamtlich bei der Diakonie in Ferienlagern für behinderte Menschen gearbeitet. Ihre Erkenntnis: „Es ist eine Typsache. Es gibt nicht nur einen richtigen Weg bei der Assistenz. Jeder macht den Job einfach anders und das ist in Ordnung. “ In der Assistenz von Samara und ihr geht es häufig um Alltagsthemen. Das Gehen von Wegen im Dunkeln, leicht Unterstützung in der Körperpflege oder auch einfach Dinge, die Samara gerne macht. Annika ist wichtig, dass es sich um Samaras Wünsche dreht und sie selbst entscheidet. „Manchmal machen wir auch Sachen, die sie sich nicht traut oder andere ihr nicht zutrauen. “ 

 

Hier liegt für Annika der große Vorteil der Betreuung durch eine Mitbewohner:in oder Freund:in. „Man verhält sich mit einer Freundin immer anders als beispielsweise mit den eigenen Eltern. Ich habe keine Ahnung, was früher nicht funktioniert hat. Dadurch kann ich viel neutraler an Dinge herangehen.“ Ein anderer Blickwinkel ermöglicht Selbstbestimmtheit an Stellen, an denen sonst Gewohnheiten oder Vorerfahrungen stehen.  

Die Arbeit mit Samara macht Annika Spaß. Sie beschreibt sich selbst als „Kümmerermensch und ermutigt Interessierte: „Probier’s aus! Es ist definitiv eine Erfahrung mit Mehrwert. Man lernt ganz neue Blickwinkel aufs Leben kennen.“, erzählt sie mit strahlenden Augen.  

 

Dennoch ist es Annika wichtig, Grenzen zu setzen und auf sich selbst aufzupassen. „Zusammenleben hat keine zeitlichen Grenzen. Man muss von Anfang an schauen, was kann ich leisten - körperlich, zeitlich und emotional? Das habe ich am Anfang zu wenig gemacht. Vor ihrem Einzug hat sie mit Thomas genau geklärt, für was sie sich verantwortlich fühlen darf – und wofür nicht.  

 

Eine klare Trennung zwischen Assistenzzeit und gemeinsamer Freizeit gibt es für Annika trotzdem nicht immer. Wenn sie gemeinsam mit den anderen WG-Bewohnerinnen ein Brettspiel spielt, macht sie das einfach so. Nicht weil sie muss, sondern weil sie möchte. „Manches ist Assistenz und manches ist einfach miteinander Wohnen. Natürlich kümmere ich mich um Samara, wenn sie traurig ist. Aber das würde ich auch machen, wenn sie kein Down-Syndrom hätte. 

Hin und wieder gibt es Themen, die ihr schwerfallen oder bei denen sie Redebedarf hat. Hier stehen ihr sowohl Thomas als auch die Sozialarbeitenden von Samara mit Rat zur Seite. Eine große Entlastung. „Ich habe das Gefühl, dass ich fragen darf.“, berichtet Annika. Für andere in der ehrenamtlichen Betreuung hat sie einen Wunsch: Auf die eigenen Grenzen zu hören und ehrlich zu sagen, wenn etwas nicht mehr funktioniert. „Man muss die eigene Freizeit nicht zurückstecken, nur damit jemand anderes eine hat.“ 

 

Die Assistenz innerhalb der WGs ist gelebte Teilhabe und Selbstbestimmung. Sie zeigt, wie gemeinsames Leben auch gemeinsames Wachsen bedeutet – für alle Beteiligten.